Luise Neuhaus-Wartenberg (Sachsen) / Frank Puskarev (Brüssel)
Einleitung:
DIE LINKE ist, nüchtern betrachtet, in der Riege der etablierten Parteien angekommen. Das Image des Anderen, der Alternativ-Partei, hat sie weitgehend verloren. Auch DIE LINKE wird die Frage beantworten müssen, ob und wie sie mehr Beteiligung in ihren eigenen Reihen umsetzen möchte. Dabei hat sie mit der Forderung nach mehr Demokratisierung der Gesellschaft im Feld der politischen Parteien eigentlich eine günstige Ausgangslage. Der tatsächliche Inhalt hinter dieser Forderung wird sich auch in der Organisationsentwicklung der eigenen Partei zeigen müssen. DIE LINKE sollte sich dieser Debatte offensiv stellen.
Das Internet spielt im wachsenden Verlangen nach mehr politischer Teilhabe eine zentrale Rolle. Zunehmend in den Vordergrund gerät die Frage ob ein mehr an Teilhabe in politischen Institutionen gewünscht ist und wie diese durch die Verbreitung und die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets realisiert werden kann. In einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des „Internet & Gesellschaft Co:llaboratory“ sprechen sich mehr als zwei Drittel der Befragten dafür aus, stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden.[1]
Vor allem dank der Verbreitung sozialer Netzwerke lassen sich (politische) Forderungen mit geringem Ressourceneinsatz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Es können Unterstützer mobilisiert und Proteste organisiert werden. Das Internet bietet zudem die technologische Grundlage um aktive politische Teilhabe anzubieten und zu realisieren. Politische Beteiligungsplattformen lassen sich weitgehend ohne technische Spezialkenntnisse betreiben und nutzen. Selbst der Deutsche Bundestag betritt mit einer eigenen Dialogplattform im Rahmen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ institutionspolitisches Neuland.
Verschiedene Parteien – etablierte wie auch neue – experimentieren zur Zeit mit unterschiedlichen Formen und Formaten von Online-Partizipation. Die besondere Herausforderung besteht darin, die bisher praktizierte Parteipolitik schrittweise zu öffnen und dem wachsenden Verlangen nach politischer Beteiligung anzupassen. Dabei geht es zum Einen um eine Öffnung von Beteiligungs- und Entscheidungsprozessen in die eigene Mitgliedschaft, zum Anderen um ein Angebot an Bürgerinnen und Bürger. Hier sind unterschiedliche Wege und Instrumente zu nutzen.
Aufgrund der Mitgliederstruktur der LINKEN muss ein Hauptaugenmerk auf der Verbindung bestehender Offline-Parteiarbeit mit neuen Formen digitaler Kommunikation liegen. Wir haben einen hohen Anteil von Nonlinern, zudem sind wir nach dem klassischen Parteienmodell organisiert: das Durchschnittsmitglied ist ein passives Mitglied. Wer sich aber offline bisher nicht beteiligt oder beteiligen kann, wartet nicht zwangsläufig darauf, dass nunmehr Online-Tools für die Parteiarbeit zur Verfügung gestellt werden. Zudem müsste Sorge dafür getragen werden, dass die Schnittstellen zwischen Online- und Offline-Angeboten funktionieren. Ein Beteiligungswerkzeug im Netz muss auch die Informationen anbieten, die bisher im Regelfall nur Offline zur Verfügung stehen, es braucht Gremien, die die Meinungsäußerungen im Netz ernstnehmen, reflektieren, kommentieren und die letztliche Entscheidung wiederum ins Netz einspeisen und wiederum der Debatte preisgeben.
Es setzt eine Bereitschaft insbesondere von Vorstandsebenen zur offenen, transparenten Diskussion voraus und zu entscheidungsoffenen Prozessen. Diese Kultur gilt es aber zunächst einmal offline zu etablieren. Erst dann kann Beteiligung im Netz ein zusätzlicher Baustein, ein hilfreiches Mittel werden. Die Mitglieder einer Partei müssen diese Kultur und die sinnvolle Verbindung von On- und Offline-Angeboten gemeinsam erarbeiten. Ein solches Vorgehen kann nicht verordnet werden. Es braucht einen gemeinsamen Diskussionsprozess auf allen Ebenen einer Partei, da vor allem die Etablierten vor einem tiefgreifenden Kulturwechsel stehen.
Die notwendige Diskussion darf aber nicht an der Parteigrenze stehen bleiben. Neben dem Ausbau innerparteilicher Demokratie und Meinungsbildung muss auch DIE LINKE ihre Politikentwicklung nach außen öffnen. Parteien haben die Aufgabe an der politischen Willensbildung der Gesellschaft mitzuwirken. Wenn heute festzustellen ist, dass die Mitgliederzahlen der etablierten Parteien rückläufig sind, sich aber gleichzeitig mehr Menschen an außerparlamentarischen Protesten beteiligen, müssen die Parteien darauf reagieren. Für uns heißt das: Menschen, die zwar nicht Mitglied der LINKEN sind, aber sich selbst als politisch links einschätzen, sollen eingeladen sein, ihre Ideen in DIE LINKE einzubringen. Der zukünftige Erfolg der politischen Parteien hängt nicht mehr nur von den Inhalten und Botschaften ab, sondern auch davon, ob und wie sie auf die gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Transparenz und Beteiligung reagieren.
Die bisherigen Erkenntnisse im Bereich der politischen Beteiligung zeigen, dass solche Projekte einen langen Atem erfordern. Das reine Angebot von politischer Beteiligung führt noch nicht zu einer tatsächlichen Nutzung bei einer breiten Masse. Beteiligungskulturen müssen gemeinsam gelebt und gelernt werden. Wichtig ist dennoch, diese Prozesse anzustoßen und die Entwicklung nicht zu vernachlässigen, sondern mit der gesellschaftlichen Entwicklung mindestens Schritt zu halten.
Gerade Parteien, die über eine eigene ideengeschichtliche Grundlage verfügen, müssen allerdings deutlich machen, dass Beteiligung nicht Beliebigkeit heißen kann. Wir als DIE LINKE haben einen programmatischen Kern, der identitätsstiftend für unsere Politik und unsere Mitgliedschaft ist. Wir können und wollen etwa die sozialen Grundpositionen nicht aufgeben, wenn sich eine Mehrheit der BürgerInnen für eine andere Politik ausspräche. Wenn DIE LINKE tatsächlich die Diskussion um ihre politischen Inhalte mit der interessierten Öffentlichkeit suchen sollte, muss sie deutlich kommunizieren, wie weit der politische Spielraum letztendlich ist, was möglich ist und was nicht. Alles andere wäre eine Abkehr von der politischen Verantwortung einer Partei.
Das forum ds und Beteiligung
Das forum ds hat einen radikal-reformerischen und emanzipatorischen Anspruch an sich und DIE LINKE. Wenn es so ist, dass wir in den letzten Jahren in unserer Partei eine zunehmende Abkehr von emanzipatorischer Politikentwicklung und Entscheidungsfindung feststellen, dann muss es eine Aufgabe des fds sein, die Re-Demokratisierung der eigenen Partei anzustoßen und zu gestalten. Es wird in absehbarer Zeit einen Parteitag zu Satzungsfragen geben. Von diesem Parteitag kann ein Signal der Öffnung der Parteistrukturen und politischen Prozesse nach innen und außen ausgehen. Er kann weit mehr sein als ein Parteitag der Paragraphen, juristischen Formulierungen und machtpolitisch-intendierten Verklausulierungen.
Das forum ds hat v.a. in den Ostlandesverbänden zahlreiche Funktionsträger und Vorstandsmitglieder aller Ebenen und v.a. in den Westlandesverbänden viele Mitglieder, die beklagen, dass sie aus Politikentwicklung und Entscheidungen förmlich heraus gedrängt werden. Zynisch formuliert: das fds verfügt sehr wahrscheinlich über „Täter“ und „Opfer“ unserer parteipolitischen Unkultur. In Vorbereitung eines Satzungsparteitages wird das fds deshalb einen Diskussionsprozess ausgehend von den Ansprüchen der eigenen Mitglieder gestalten und konkrete Vorschläge für mehr direkte Demokratie in der eigenen Partei entwickeln.